1. Theorie

Yoga Wissen 

Die Rubrik ist für all jene gedacht, die neben dem Unterricht tiefer in die Begriffe, Leitideen und Entstehungsgeschichte des Yoga eintauchen möchten. Für die Erlaubnis, hier Originaltexte einstellen zu dürfen, bedanke mich herzlich beim Yoga Forum München e.V.  unter der Leitung von Reinhard Bögle und dem VIVEKA Verlag in Berlin.

Ein Weg voller Veränderungen

Nach dem heutigen Stand unseres Wissens erscheint es ausgeschlossen, dass die Praxis von Asana in Indien über die letzten Jahrhunderte hinweg in einer ununterbrochenen Traditionskette unverändert weitergereicht wurde. Zu sehr wandelten sich im Laufe der Zeit die Konzepte, die dem Asanaüben zugrunde lagen. Zu groß waren die Brüche, denen der Umgang mit Asana unterworfen war. Heute lassen sich drei wesentliche Meilensteine in der Geschichte der Praxis von Asana erkennen.

Der erste steht für die Entstehungszeit des Yoga Sütra vor etwa 1700 Jahren: Yoga wird hier zum ersten Mal als eigenständige Disziplin vorgestellt, die auch die Praxis von Asana einschließt.

Der zweite markiert die Zeit des Hatha Yoga, der vor etwa 600 Jahren seine größte Blüte erlebte. Die Asanapraxis entwickelte sich dabei zu einer noch nicht dagewesenen Vielfalt. 

Der dritte Meilenstein ist die Entstehung der modernen Asanapraxis zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Dabei wird eines deutlich: Sowohl in den Zeiten des Hatha Yoga als auch während der Wiederbelebung des Yoga vor fast hundert Jahren ging es um sehr viel mehr als um das bloße Auffrischen alter Traditionen. Vielmehr wurde zu diesen Wendezeiten Yogapraxis radikal erneuert und zum Teil auch neu erfunden. 

»Die historische Forschung« schreibt die indische Wissenschaftlerin Meera Nanda, zeige, dass sich zur Zeit des Hatha Yoga »Taoismus, Buddhismus und tantrischer Sivaismus gegenseitig beeinflusst haben. Aber diese Synthese aus Taoismus, Buddhismus und Sivaismus war nur der Anfang. In der modernen Zeit hat der Hatha Yoga noch viel mehr Einflüsse aufgenommen, dieses Mal allerdings aus dem Westen.« 

Aus dem Westen? Ja, auch aus dem Westen. Die Geschichte der modernen Asanapraxis ist offensichtlich die Geschichte einer grundlegenden Innovation, in der unterschiedliche Traditionen - darunter auch damals in Indien sehr einflussreiche westliche Körperdisziplinen - zu etwas Neuem verbunden wurden. Eine der wichtigsten Persönlichkeiten in diesem Entstehungsprozess der modernen Äsanapraxis war ohne Zweifel T. Krishnamacharya.

(Quelle: Mit freundlicher Genehmigung von Viveka Verlag Berlin, Heft 49, S. 7)

Mit anderen Worten ...

"Unter dem Begriff Yoga finden sich heute die unterschiedlichsten Übungsverfahren. Den einen Yoga gibt es nicht. Selbst in seinem Ursprungsland Indien existierte nie eine einheitliche Auffassung von Yoga und noch weniger eine einheitliche Vorstellung davon, was zu einer “richtigen” Yogapraxis gehört.

Mit der Ausbreitung des Yoga im Westen wurder der Begriff Yoga noch weiter gedehnt. Unter seinem Dach versammeln sich inzwischen Angebote, die außer dem Namen kaum eine Gemeinsamkeit erkennen lassen. Gleichzeitig gab und gibt es Bemühungen, das westliche Publikum, durch das werbewirksame Suggerieren einer besonders großen Nähe zu angeblich uralter Tradition, von den Vorzügen und der Seriosität einer bestimmten Yogarichtung zu überzeugen. Aber die dort oft geführte Rede von “kassischem Yoga” oder “klassischen Asanas” ist gerade einmal hundert Jahre alt. Historisch entbehrt das jeder Grundlage.Wer also heute von Yoga spricht, muss erklären, was er damit meint."


(Quelle: Dalmann/Soder, Heilkunst Yoga, S. 17, Viveka Verlag)

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