4. Die zwei Vorgehensweisen

Die zwei wichtigen Vorgehensweisen

Die Yogasutren geben ein Vorgehensweisenpärchen an, um zur Aufhebung der Behinderungen durch die erstarrten Muster zu kommen: die immer wieder neue Beschäftigung (abhyāsa) und das Entfärben (vairāgya).

Täglich aufs Neue backt der Bäcker wieder Brot. Jeder Tag bringt neues Tageslicht. Jeden Tag erwarten wir Neues in der Zeitung. Yoga hält es für erforderlich, zur Lösung der anstehenden Lernaufgaben, einen gewissen Aufwand zu betreiben, seine Aufmerksamkeit einzusetzen, zu studieren, in dieser Richtung zu praktizieren und sich mit einer gewissen Beständigkeit zu beschäftigen (abhyasa). 

Ein yogisches Bild für den ständigen Verbesserungsprozess ist die Anwendung von Hitze, um Samen zu rösten, die Leiden verursachen könnten. Lernen stellt man sich in Yoga und Ayurveda als natürlichen, ständig stattfindenden Lebensprozess vor (sadhaka pitta), der es als Umwandlungsprozess für Lernaufgaben ermöglicht, bei passend regulierter Lernintensität Neues zu erlernen. Ein Leben lang eigenständig zu lernen, mit ständigem Interesse an Qualitätsverbesserungen, das beschreibt den einen Part der Vorgehensweise.

Der andere Part qualifiziert dieses Lernen als unaufgeregt, als ein entspanntes freiwilliges Lernen, voll von innerer Ruhe und von innen kommender Lernfreude. Sollte es eingefärbt oder verfärbt von Frust und Lust sein, entfärben Sie es wieder. In Indien spricht man im Bild des Stoffefärbens von entfärben, in Europa würde man dazu „Unklarheiten beseitigen" sagen, um die Wichtigkeit zu erkennen. Das heißt, Sie haben eine respektvolle, willkommen heißende Haltung. Sie trauen sich selbst zu, etwas zustande zu bringen. Dies ist vergleichbar mit der Haltung einer guten Bedienung einem willkommenen Gast gegenüber. Die Gier nach außergewöhnlichen Erfahrungen und der starke Durst nach Leben sind nicht vorhanden. In Indien ist es oft heiß; Wasser zu trinken, spielt eine wichtige Rolle. Es wird daher vom Durst nach Leben gesprochen. Europäer würden eher vom Lebenshunger sprechen, um einen großen Mangel zu beschreiben. 

Die Bedürfnisse des Lebens sollen zuerst einmal erfüllt sein. Man hat gegessen und getrunken, ist ausgeschlafen und hat wichtige Gespräche geführt; die Tränen wurden geweint und Erotik und Sexualität wurde gelebt. Yoga ist kein Ersatz für all dies, sondern etwas Zusätzliches und etwas Erweiterndes.

Wer Yoga praktiziert, trifft die kluge Entscheidung, durch die Verwendung der beiden sich wechselseitig ergänzenden Vorgehensweisen den „roten Faden" immer wieder zu gewinnen. 

Textquelle: Mit freundlicher Genehmigung Yoga Forum München e.V.


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